Vorwort: Wissen, was man tut

Bevor man mit einer Übung beginnt, sollte man sich überlegen, was man erreichen möchte.

Falls man diesen wichtigen Schritt nicht beachtet, kann es sein, daß man viel Mühe investiert, um hinterher festzustellen, daß man leider etwas Ungünstiges konditioniert hat.

Unser Tun formt unsere körperliche und psychische Struktur. Es ist leichter, gleich die richtige Struktur zu formen, als schlechte Gewohnheiten später wieder zu ändern.

Nur ein Beispiel:

Wenn man Kampfkunst zur Selbstverteidigung lernen möchte, kann es leicht sein, daß man beim Kampfsport landet.

Es gibt zwischen Kampfkunst (hiermit meine ich immer eine Übung für den echten Kampf) und Kampfsport einige feine, aber wesentliche Unterschiede:

  • beim Kampfsport gibt es meistens nur einen Gegner in der passenden Gewichtsklasse, beim echten Kampf können es auch mehrere Gegner jeglicher Gewichtsklasse sein
  • beim Kampfsport ist man gewöhnlich mit seiner gesamten Aufmerksamkeit beim Gegner, beim echten Kampf muß man unbedingt auch die Umgebung im Auge behalten
  • beim Kampfsport gibt es Einschränkungen durch Regeln, beim echten Kampf gibt es keine Regeln
  • beim Kampfsport befindet man sich in künstlicher Umgebung, die oft auch noch gesichert ist (Schutzausrüstung); der echte Kampf findet auch im Dunkeln, auf unebenem und hartem Boden oder auch auf sehr beengtem Raum statt

In dieser Art kann man noch viele Unterschiede finden. Daher erfordert der echte Kampf ein völlig anderes Herangehen an die Übung, als man das in sportlichem Training finden kann. Näheres ist unter Tradition zu finden. Hier sind diese Zusammenhänge nur als Beispiel für eine versehentlich falsche Konditionierung genannt.

Übungsziele

Nach der kleinen Vorbemerkung werden hier einige, meiner Erfahrung nach, sinnvolle Übungsziele genannt, wenn es das Ziel ist, Kampfkunst für den echten Kampf zu erlernen.

Jeder, der sich mit Kampfkunst beschäftigt, kann sich fragen, ob seine gewählte Trainingsart diese Ziele erreichen kann.

Gesundheit

Gesundheit muß unbedingt ein Trainingsziel sein. Da gute Gesundheit nicht nur die Grundlage eines glücklichen Lebens, sondern auch einer erfolgreichen Selbstverteidigung ist, muß das Training unbedingt so gestaltet sein, daß die Gesundheit erhalten und gefördert wird. Wenigstens sollte die Gesundheit durch das Training nicht beeinträchtigt werden.

Man kann sich in dem Zusammenhang auch darüber Gedanken machen, wie es ist, wenn man älter wird. Wenn man im Training Verletzungen produziert, werden sich diese Verletzungen im Körper ansammeln und später die Bewegung behindern.

Die Gegner sind in der zweiten Lebenshälfte sehr wahrscheinlich jünger und damit schneller und stärker. Gutes Training sorgt dafür, daß man auch im hohen Alter noch leichtfüßig und beweglich ist. Wenn das Training dann auch noch Qualitäten wie Gefühl und Erfahrung gefördert hat, kann man auch im hohen Alter noch Chancen gegen jüngere Gegner haben. 

Mut

Mut ist extrem wichtig in einer Kampfsituation. Alles technische Training nutzt nichts, wenn der Geist nicht entwickelt ist und man in einer echten Situation vor Angst gelähmt ist. Daher ist gezieltes Training wichtig, um die Angst zu überwinden.

Mut kann man nur entwickeln, wenn man Angst fühlt. In diesen Situationen kann man üben, die Angst zu überwinden.

Allerdings sollte man sich auch nicht unüberlegt in gefährliche Situationen begeben und dadurch seine Gesundheit gefährden.

Gutes Training entwickelt Mut auf sichere Art und Weise.

Sensibilität

Man sollte im Training gezielt daran arbeiten, sensibler zu werden.

Sensibilität ermöglicht es, gefährliche Situationen früher wahrzunehmen und so vielleicht zu vermeiden. Hier spielen Übungen zur Schärfung der Sinne und der Wahrnehmung eine wichtige Rolle.

Im Kampf selber kann man die Aktionen des Gegners früher wahrnehmen und effektiver reagieren. Das ist umso besser möglich, je entspannter man auch unter Belastung und Druck agieren kann. Daher ist gezieltes Training der Entspannung sehr wichtig.

Flexibilität

Je flexibler man ist, desto besser kann man sich an verschiedene Umstände anpassen. Der echte Kampf kann unter allen möglichen Umständen stattfinden und darauf muß man flexibel reagieren können.

Das Training muß daher so gestaltet sein, daß es Fähigkeiten hervorbringt, die in vielen verschiedenen Situationen hilfreich sind.

Es ist wichtig, die körperliche und psychische Flexibilität und Beweglichkeit zu üben. Je beweglicher man ist, desto besser kann man sich anpassen. Hier kann man sich das Wasser zum Vorbild nehmen.

„Be like water, my friend…“  (Bruce Lee)   😉

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß man auch mit dem Training selber Flexibilität erreicht. Je weniger man braucht, um gutes Training durchzuführen, desto einfacher ist es, regelmäßig zu trainieren, egal wo man gerade ist. Hierzu mehr unter gute Übung.

Toleranz

Je mehr man aushalten kann, desto besser. Das betrifft die körperliche und die psychische Toleranz.

Körperliche Toleranz bedeutet Druck, Zug, Impulswirkung, Hitze, Kälte, langdauernde körperliche Arbeit, Anstrengung sowie Hunger und Durst ertragen zu können. Alle diese Faktoren führen normalerweise zu Anspannung im Körper, was wiederum die eigenen Fähigkeiten beschränkt.

Psychische Toleranz bedeutet die eigenen Emotionen wahrzunehmen und damit bewußt umzugehen; so kann man es schaffen, auch unter schwierigen Umständen nicht zu verzweifeln; unter Belastung locker zu bleiben und weiter zu funktionieren.

Mit einer guten psychischen Toleranz kann man auch viele Konflikte ohne Kampf entschärfen. Zum Beispiel flippt man dann bei kleinen Beleidigungen oder anderen Angriffen nicht gleich aus und kann ruhiger und effizienter auf die Situation reagieren.